Zu einer interessanten Entscheidung aus dem Erbrecht:
Pflichtteilergänzungsansprüche
Sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche sind oft der Inhalt von Streitigkeiten im Nachlassangelegenheiten.
Pflichtteilsergänzungsansprüche können von der Erbschaft ausgeschlossene Personen als auch Erben geltend machen, die durch Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers an andere Erben benachteiligt wurden. Die Höhe des Erbes ist somit durch Schenkungen zu Lebzeiten an Dritte verringert worden, was zu Nachteilen bei Dritten führen kann. Dieser Nachteil soll durch Gesetz ausgeglichen werden.
Schenkungen zu Lebzeiten
§ 2325 BGB des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sieht vor, dass ein Pflichtteilsberechtigter als Ergänzung seines Pflichtteils den Betrag verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugefügt wird. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch unterliegt jedoch der Verjährung. Sind 10 Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, so bleibt die Schenkung unberücksichtigt (§ 2325 BGB, Abs. 3). Wann genau allerdings die Verjährung eintritt, ist weiterhin Gegenstand diverser gerichtlicher Entscheidungen.
Dies hängt wiederum davon ab, zu welchem Zeitpunkt eine Zuwendung tatsächlich als Schenkung anzusehen ist. Bei einfachen Schenkungen ist dies leicht zu beurteilen. Anders sieht es jedoch aus, wenn beispielsweise Immobilien verschenkt werden, der Schenkende und Immobilieneigentümer jedoch zu Lebzeiten weiterhin die Immobilie voll umfänglich nutzt und der Beschenkte in der Nutzung der Immobilie entsprechend eingeschränkt ist. In dem Fall kann es sein, dass der Beginn der Verjährungsfrist erst eintritt, wenn der Schenkende diese Nutzung aufgibt.
Diese Rechtsfrage war auch Inhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Juni 2016 (AZ:IV ZR 474/15).
Der Sachverhalt dieser Entscheidung hat die Besonderheit, dass ein Bruder des Klägers, welcher Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber seiner Mutter geltend macht, zu Lebzeiten des Vaters und der Mutter, von seinen Eltern mit einer Immobilie beschenkt wurde. Der Vater war im August 2012 verstorben, die Mutter als Alleinerbin eingesetzt.
Der Bruder wurde bereits im Jahr 1993 als Eigentümer eines Wohnhauses, bestehend aus Erd-, Ober-, und Dachgeschoss im Grundbuch eingetragenen. Die Eltern sicherten sich durch notariellen Vertrag das lebenslange Nutzungsrecht der Räumlichkeiten im Erdgeschoss, die Mitbenutzung des Gartens, der Nebenräume und der Garage sowie der Nutzung aller Leitungen und Anlagen zur Versorgung des Anwesens. Die weiteren Räume wurden durch die Eltern nicht mehr genutzt sondern durch den beschenkten Bruder.
Schenkung einer Immobilie
Es stellt sich somit die Frage, ob die Übertragung des Wohnhauses inklusive der weiteren Nutzungsrechte der Eltern tatsächlich eine Schenkung im Sinne des § 2325 BGB darstellt. Der Kläger hat das in dem besagte Falle nicht so gesehen mit der Begründung, dass die Eltern aufgrund der Nutzung diverser Räume in dem Haus die Immobilie tatsächlich doch nicht den Bruder geschenkt hätten. Insofern sei Beginn der Verjährung auch trotz grundbuchrechtlicher Eintragung der Immobilie auf seinen Bruder nicht eingetreten.
Mit dieser Ansicht ist der Kläger allerdings in allen Instanzen gescheitert. Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Eltern das Hausgrundstück nicht mehr in der Weise wie noch vor Übertragung der Immobilie nutzen konnten. Insofern spiele auch keine Rolle, dass der Bruder die von den Eltern bewohnten Räume zu deren Lebzeiten nicht nutzen konnte. Denn die Eltern seien letztlich durch den Verlust der Eigentümerstellung und das nur an Teilen bestehende Wohnungsrecht derart eingeschränkt worden, dass die Übertragung der Immobilie auf den Bruder einer Schenkung gleichkommt.
Somit hat mit grundbuchrechtlicher Übertragung der Immobilie auf den Bruder die Verjährungsfrist mit Bezug auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers begonnen.
Anders kann der Fall bewertet werden, wenn den Eltern trotz Übertragung der Immobilie auf den Bruder weiterhin ein Nutzungsrecht an der gesamten Immobilie zugesprochen worden wäre. Für einen derartigen Fall hat das Oberlandesgericht München eine Schenkung verneint.
Für die Beurteilung der Verjährungsfrist von Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist insofern jeweils nach dem Einzelfall zu beurteilen, wie genau sich die Schenkung im konkreten Fall gestaltet, insbesondere bei der Übertragung von Immobilien.